Mittwoch, 16. Mai 2007

EnEV 2007

„Der Klimaschutz bleibt außen vor“

Was die Regierung beschlossen hat, bringt dem Verbraucher nichts: Reiner Wild vom Berliner Mieterverein über den Energieausweis

Über das Stückchen Papier haben sie gestritten wie die Kesselflicker. Monatelang. Der eine, Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), wollte unbedingt und allein den Bedarfsausweis. Der orientiert sich am Zustand des Gebäudes, den Experten analysieren. Der andere, Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), favorisierte den Verbrauchsausweis. Dem ist zu entnehmen, wie viel Energie zuletzt eingesetzt wurde, um das Haus zu bewohnen. Am Ende bekamen irgendwie beide, was sie wollten: Den Energieausweis gibt es in der einen und in der anderen Form. Manche Eigentümer dürfen zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis wählen, andere nicht. Verstanden? Wenn nicht, befinden Sie sich in bester Gesellschaft.

Die Bundesregierung hat zwar eine neue Energieeinsparverordnung (EnEV 2007) beschlossen – wirklich verständlich, praktikabel und plausibel erscheint dieses Gesetz kaum einem. Eine kleine Hoffnung haben die Kritiker des Tiefensee-Gabriel-Mischmaschs aber noch: Der Bundesrat muss zustimmen, die Länder können noch Stellung nehmen. Was all’ das für Eigentümer, Käufer und Mieter bedeutet? Darüber sprach der Tagesspiegel mit Reiner Wild, dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins.

Herr Wild, in der Novelle der Energiesparverordnung 2007 geht es darum, was in welchem Energieausweis stehen muss und wer welchen Pass braucht. Wie beurteilen sie den Entwurf aus Verbrauchersicht?

Wild: Soll Energie gespart werden, muss der Entwurf verbraucherfreundlicher gestaltet werden. Wir wollen, dass der Berliner Senat im Bundesrat auf eine Änderung der Novelle dringt.

Was kritisieren Sie? Immerhin ist jahrelang um einen Konsens gerungen worden. Und spät dran ist Deutschland ohnehin – ginge es nach der EU, müsste längst alles unter Dach und Fach sein.

Aus unserer Sicht ging es in der Diskussion meist darum, die Kosten des Ausweises für die Vermieter klein zu halten – und darum, Energieberatern, Architekten und Ingenieuren Arbeit zu beschaffen.

Das sind harte Vorwürfe. Schafft der Ausweis denn nicht für Mieter und Käufer mehr Transparenz über den Energieverbrauch eines Hauses?

Nein. Wir finden, dass der Klimaschutz und die Anforderungen der Mietinteressenten beim jetzigen Entwurf weitgehend außen vor bleiben.

Warum?

Die Deutsche-Energie-Agentur (Dena) war von der Bundesregierung mit einem Feldversuch zur Erprobung der Energieausweise beauftragt worden Dabei hat sie es nicht einmal für nötig erachtet, abzufragen, welchen Ausweis Kauf- oder Mietinteressenten akzeptieren würden.

Aber dennoch: Die Regierung sagt, der Energiepass liefert detaillierte Informationen zu einem Gebäude.

Damit es für die Verbraucher anschaulich wird, hätte man sich für die Abbildung der Werte auf Energieeffizienzklassen entscheiden müssen. Dort hätten die Werte gestaffelt von A bis G aufgeteilt werden können – bis zu 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter pro Jahr. Dieses EU-Effizienzlabel kennt fast jeder Verbraucher von Kühlschränken oder Waschmaschinen. Stattdessen hat die Bundesregierung sich für einen Bandtacho als Abbild für den Energiekennwert entschieden. Dieser Kennwert beinhaltet noch keinen Vergleichsmaßstab. Die andere Lösung ist viel plausibler.

Vielleicht hatten manche Angst vor einer derart klaren Lösung.

Genau, jeder Mietinteressent wüsste dann, dass ein Haus der Klasse G eine Dreckschleuder ist.

Prima.

Das Gegenargument war, dass man die Eigentümer damit stigmatisieren würde. Also hat man gekniffen.

Welchen der beiden Ausweise, die es geben wird, halten Sie für genauer?

Für viele Gebäude ergibt nur der Bedarfsausweis Sinn. Der Verbrauchsausweis hat einige Tücken. Zwar soll er den Leerstand eines Hauses berücksichtigen, aber es ist nicht geklärt wie – bei mehr als 15 Prozent Leerstand wäre er wertlos. Zudem wird das unterschiedliche Verbraucherverhalten nicht beachtet. Geht zum Beispiel in einem kleineren Haus ein Seniorenpaar während des Winters nach Mallorca, kann das die Energiebilanz erheblich verändern. Deshalb fordern wir, dass die Wahlfreiheit zwischen den Ausweisen erst für Häuser ab sieben Wohnungen, und nicht - wie vorgesehen - ab fünf Wohnungen gilt. Für Einfamilienhäuser – wie für die Übergangszeit bis 1. Januar 2008 erlaubt – ist der Verbrauchsausweis totaler Quatsch. Der Verbrauchsausweis kann nur sinnvoll verwendet werden, wenn die Bedingungen stimmen. Mieter können zukünftige Heizkostenabrechnungen an ihm messen, und so erkennen, ob Mehrverbrauch entstanden ist, für den dann Ursachen zu erforschen wären.

Ob man zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis wählen darf, soll auch davon abhängen, ob die Wärmeschutzverordnung von 1977 erfüllt wird. Sind 30 Jahre alte Vorschriften also noch auf dem aktuellen Stand?

Nein, absolut nicht. Deshalb fordern wir ja, dass die Wärmeschutzverordnung von 1995 Maßstab wird.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass ihre Kritik im Bundesrat gehört wird?

Der Deutsche Mieterbund hat seine Kritik vorgebracht. Jetzt liegt es an den Bundesländern, welche Forderungen sie noch einbringen.

Lassen wir Ihre Kritik mal beiseite und fragen grundsätzlich. Wird der Energieausweis bei Vermietung oder Verkauf jemals eine Rolle spielen?

Entscheidend, so unsere Erfahrungen, sind für Käufer und Mieter Preis und Lage eines Objektes. Die Energiekosten spielen immer noch eine untergeordnete Rolle. Sie müssen endlich so transparent werden, dass am Markt etwas in Gang kommt. Deshalb begrüßen wir auch, dass nach dem Beschluss des Kabinetts nun dem Mietinteressenten eine Kopie des Ausweises ausgehändigt werden muss. Nur so entsteht auch eine Wirkung für die Umwelt – dann, wenn nämlich Eigentümer unter Druck geraten, ihre Häuser energieeffizienter zu machen, zum Beispiel Wärmedämmung nachzurüsten.

Das Gespräch führte Kerstin Heidecke.

Der Energieausweis wird

ab 1. Januar 2008 spätestens dann Pflicht, wenn Eigentümer oder Mieter wechseln. Er gilt zehn Jahre. Der Ausweis zeigt ein Energielabel, einen Farbstreifen, der das Gebäude bewertet. Je energiesparender das Haus, desto weiter landet man im grünen Bereich. Bei einer Markierung im gelben Bereich sollte über eine Modernisierung nachgedacht werden. Der rote Bereich signalisiert Handlungsbedarf. Den Ausweis stellen Ingenieure, Architekten und spezialisierte Handwerker aus, die Kosten werden zwischen 100 und 300 Euro geschätzt.



Kommentar von Gerd Fasel


DER BEDARFS-AUSWEIS

Pflicht für Häuser mit weniger als fünf Wohnungen, die bis 1978 gebaut wurden. Er analysiert den energetischen Gebäudezustand anhand von Kriterien wie Wärmedämmung, Fenster- und Dachqualität.
Der Bedars-Ausweis erfordert ähnlichen Aufwand wie eine "Vor-Ort-Beratung" und wird auch ähnliche Kosten nach sich ziehen.
Der Gebäudeenergieberater als Aussteller ist angehalten hier sehr sorgsam zu arbeiten, da das Ergebnis Rechtsverbindlichkeit darstellt und die Haftpflichtversicherung des Ausstellers bei mangelhaftem Vorgehen jede Unterstützung verweigert.


DER VERBRAUCHS-AUSWEIS

Den können Eigentümer größerer und seit 1978 gebauter Objekte wählen. Der Verbrauchsausweis nimmt die Wärmedaten des Hauses als Grundlage, die nicht aufwendig gemessen werden müssen, sondern in der Heizkostenabrechnung stehen.
Der "billige" Verbrauchausweis stellt grundsätzlich keine vergleichbare Lösung dar, an der die Gebäudequalität gemessen werden kann, da immer die Nutzerabhängigkeit im Vordergrund steht.

Verwirrende und chaotische Angaben

Noch ist der Energieausweis ja nicht rechtskräftig verabschiedet - da muss erst noch der Bundesrat zustimmen - aber alles spricht dafür, dass er in der vom Bundeskabinett abgesegneten Form kommt und am 1. Januar 2008 zur Pflicht wird. Praktisch werden heute schon, auch im Internet, beispielsweise bei E-Bay, Energiepässe und -ausweise für Häuser und Wohnungen angeboten - für rund 50 bis 175 Euro. Fast täglich kommen neue Anbieter dazu.

Aber Vorsicht: Nicht alle Offerten sind wirklich seriös. Weil die meisten der heute schon ausgestellten Energieausweise neben dem amtlichen noch zehn Jahre gültig sein werden, beeilen sich Sachkundige ebenso wie auch fragwürdige Anbieter, ein schnelles Geschäft zu machen. Einige der angebotenen Ausweise sehen dem offiziellen sogar ähnlich. Die Angaben können aber weit voneinander abweichen. Das gipfelt dann in unterschiedlichen Bezeichnungen und einem verwirrenden Kommunikationschaos um den Energieausweis.

Vergleich Äpfel mit Birnen

Der Ausweis der angesehenen Deutschen Energie-Agentur dena macht da keine Ausnahme: Während im Kabinettsbeschluss der "Vergleichswert Endenergiebedarf" maßgeblich sein soll, wird im dena-Entwurf der "Vergleichswert Primärenergiebedarf" herangezogen. Da werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Darüber hinaus galten bisher anerkannte Statistiken, beispielsweise die VDI 3807, diverse offizielle Heizspiegel und die jährlichen techem-Studien als Bewertungsskala für die Endenergie und 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (in der Öffentlichkeitsarbeit als 20-Liter-Haus bezeichnet) als Durchschnitt.

In der neuen EnEV-Skala soll der Durchschnitt bei jetzt bei schlechteren 300 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr liegen. Obendrein bildet sich jetzt bei der dena der Begriff "Heizenergieverbrauchskennwert" statt "Energieverbrauchskennwert" heraus. Ist solch ein Kuddelmuddel gewollt? Klarheit ist das A und O in der Energieberatung. Der Energieausweis wird das so nicht schaffen.

Amtliche Schwachstellen

Tatsächlich hat der neue offizielle Energieausweis drei Schwachstellen: Erstens gibt es zwei verschiedene Varianten: Im "Bedarfsausweis" wird der Energiebedarf nach bestimmten Methoden ingenieurmäßig berechnet. Heraus kommt also ein eher theoretischer Wert. Bei der zweiten Variante, dem "Verbrauchsausweis", wird dagegen der tatsächliche bisherige Verbrauch zugrunde gelegt. Das ist der praktisch festgestellte Wert. Und der liegt fast immer niedriger als der künstlich errechnete Bedarf - und zwar um bis zu einem Drittel. Für den Verbraucher sind solche unterschiedlichen Größen verwirrend!

Welcher Wert tatsächlich der "bessere" ist, darüber streiten die Fachleute seit langem. Der theoretische Bedarfswert hat den Vorteil, dass er direkt vergleichbar ist, weil nach gleichen Formeln gerechnet wird. Er hat aber den Nachteil, wenig mit der Praxis gemein zu haben und meist zu hoch zu liegen. Der Verbrauchswert kann den Nachteil haben, dass ein warmer Winter oder ein zu sparsamer Vormieter beziehungsweise Vorbesitzer durch rigoroses "Ausfrieren" den Wert künstlich günstig macht. Da in der Regel aber der Verbrauch von drei Jahren für die Berechnung herangezogen werden, würden sich "Ausreißer" ausgleichen und deshalb insgesamt einen verlässlicheren Wert liefern, sagen die Befürworter.

Unverständliche Größen

Zweiter Schwachpunkt: Im neuen Energieausweis werden nur noch technische und dazu unterschiedliche Werte ausgewiesen, nicht aber beispielsweise echte Kosten. Für viele sind das völlig unverständliche Größen. Und drittens werden - im Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen - im offiziellen Energieausweis zwar allgemeine Empfehlungen für sinnvolle Modernisierungsmaßnahmen gegeben - beispielsweise Erneuerung der Heizanlage oder Dämmung des Dachs - aber keine detaillierten.

Welche Maßnahme vorzuziehen wäre, falls man sich nicht alles auf einmal leisten kann, wird schon gar nicht angegeben. Und ein Fazit, ob sich eine Modernisierung am Ende sogar finanziell lohnt, fehlt sowieso. Der offizielle Energieausweis ist aus Verbrauchersicht also nicht der große Wurf.

Bundestag gegen strengere Regeln für Energieausweise

11. Mai 2007

In zahlreichen Zeitungen war heute folgende dpa-Meldung zu lesen:

Die Forderung nach strengeren Regeln beim geplanten Energieausweis für Gebäude stößt im Bundestag auf Widerstand. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP stimmten im Parlament gegen einen entsprechenden Antrag der Grünen. Diese hatten sich unter anderem dafür ausgesprochen, dass zur Erstellung eines Energieausweises grundsätzlich ein Ortstermin mit einem Gutachter vorgeschrieben wird. Dies war aber bereits in den Ausschussberatungen wegen zu hoher Kosten abgelehnt worden.

Das Argument mit dem Ortstermin kann man evtl noch verstehen, natürlich verursacht dieser Aufwand Kosten, die nicht jeder Vermieter oder Verkäufer tragen möchte. Aber bei den heutigen Energiepreisen, die sicher nicht fallen werden, kann man nicht verstehen, warum sich die Mehrheit der Abgeordneten gegen strengere Regeln sperrt. Oder betrifft das nur den Energieausweis an sich, nicht aber die Anforderung an Primärenergiebedarf? In den Medien wird das ja oft durcheinander gewirbelt. Vielleicht kann mich einer aufklären, warum sich die Mehrheit der Abgeordneten gegen strengere Regeln ausgesprochen hat und welche Inhalte der Antrag der Grünen noch hatt.


Energieberater wünschen sich größeres Umweltbewusstsein bei Haus- und Wohnungssuche

11. Mai 2007

Der Europäische Verband der Energie- und Umwelt­schutzberater (EVEU) begrüßt die vom Bundeskabinett vergangene Woche beschlossene Einführung eines Energieausweises für Immobilien. Eigentümer müssen von kommendem Jahr an bei Verkauf oder Vermietung einen Energieausweis für ihr Gebäude vorlegen. Der Ausweis soll Auskunft über Wärme- und Stromverbrauch des Wohnraums und damit über Energiekosten und die Umweltverträglichkeit geben. „Der Energieausweis schafft Transparenz und ist ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz“, erklärt EVEU-Vorsitzender Franz Sedlmeier. Schließlich gehen rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland in unsern Häusern drauf – das meiste davon für die Heizung. So entsteht in deutschen Heizungskellern annähernd so viel CO2 wie im viel gescholtenen Autoverkehr.

Gleichzeitig hofft der Verband, dass die Maßnahme auch den gewünschten Effekt haben wird. „Der Energieausweis soll die Miet- oder Kaufentscheidung bei Immobilien beeinflussen, ja sogar zum zentralen Element dieser werden“, erklärt Franz Sedlmeier. Allerdings ist der EVEU-Vorsitzende skeptisch, ob dieses Ziel erreicht werden kann. „Da muss sich noch einiges ändern, sonst läuft der Energieausweis völlig ins Leere“, fordert Franz Sedlmeier.

Seldmeier kritisiert die lapidare Haltung vieler Mieter gegenüber dem Energieverbrauch ihrer Immobilie. Viele Verbraucher würden mittlerweile zwar beim Kauf ihres Autos oder Kühlschranks auf die Umweltverträglichkeit achten, nicht aber bei der Wohnungssuche. „Das Umweltbewusstsein der Deutschen ist in den letzten Jahren in vielen Bereichen enorm angestiegen. In einigen Bereichen aber ist es noch fast gar nicht aktiviert“, sagt Franz Sedlmeier. Dazu gehören etwa Fernreisen oder auch Immobilien. „Bei der Wohnungssuche zählen zunächst Größe und Lage“, weiß Sedlmeier. Beim Preis stelle sich dann lediglich die Frage der grundsätzlichen Leistbarkeit, nicht aber, ob man mit einer anderen Wohnung etwas sparen oder gar etwas für die Umwelt tun könnte. „Hier müssen die Verbraucher noch wachgerüttelt werden“, glaubt Sedlmeier und hofft dabei auf den Gebäudeenergieausweis.


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